MÖBEL DES JAHRES 2023

 MdJ 2023 Ensemble im Museum

Zum Möbel des Jahres 2023 im Museum Kelkheim – Sammlung für Möbelhandwerk und Stadtgeschichte wurde ein SALONSOFA AUS DEM GAGERN-HOFGUT im Louis-Philippe-Stil gewählt. Es ergänzt die Sonderausstellung zum 175-jährigen Paulskirchenjubiläum des Museumsvereins Kelkheim und der Stadt Kelkheim „DEMOKRATIE WEITER DENKEN - Die Freiherren von Gagern - Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie“.

Leihgeberin des Sofas ist Katharina Kofler. Sie ist gebürtige Hornauerin und aktives Mitglied im Museumsverein. Zu dem Sofa gesellen sich vier Stühle aus dem Besitz Heinrich von Gagerns, die dessen Nachfahre Rüdiger von Gagern und seine Frau Adelheid dem Museum übereigneten.

Ein achteckiger Intarsien-Tisch, ein ovaler, original vergoldeter Spiegel aus der Gründerzeit und die Portraits der Besitzer des Hofguts Hans Christoph von Gagern und seiner Frau Caroline, genannt Charlotte, komplettieren das Ensemble zu einem Salon.

Der Tisch und der Spiegel sind Leihgaben von Heike Mayrl von Antik Möbel Mayrl in Kelkheim-Hornau. Die vergoldeten Rahmen konnte der Museumsverein von ihr übernehmen.

Vier Tafeln erläutern die Herkunft des Sitzmöbels, den Louis-Philippe-Stil und die Geschichte des Hofguts, seitdem es in den Besitz der Familie von Gagern kam.

VOM ADELSSITZ ZUR KURPENSION

LesungTorsten Weigelt 11.12.2022 2

Das Hofgut der Familie von Gagern von 1852 bis 1866

MdJ 2023 Hans Christoph von Gagern

Als Hans Christoph von Gagern im Jahr 1852 starb, hatte er 34 seiner 86 Lebensjahre in Hornau verbracht. 1818 erworben, fiel das Hofgut nun seinem jüngsten Sohn und Erben Max von Gagern zu.

MdJ 2023 Max von Gagern

Mit seinem Eintritt in den Dienst der Habsburgermonarchie als „Ministerialrath“ verließ Max das Gagern’sche Hofgut 1855 in Richtung Wien. Aus dem gleichen Jahr stammt eine Aufzählung der Gebäude des Gutes: Das heute noch erhaltene Hofhaus, bestehend aus Dachwerk und Speicher mit „mittlerem Stock“ sowie „unterem Stock“. Das „große Scheuergebäude“ mit Fruchtspeicher und Kartoffelkeller. Zudem ein Brennhaus mit „vergitterten Fenstern“ und „Schornstein zur Malzdürre“; darin ein kupferner Kessel für „Zartbrand“. Des Weiteren eine zweite Scheuer, ein Pferdestall, eine „Thoreinfahrt“ mit verschließbarem „Doppelthor“, ein weiteres Scheuergebäude mit großem Keller und Ochsenstall, drei hölzerne Schweineställe sowie ein Hühnerstall. Zuletzt werden ein Kelterhausgebäude mit „Äpfelweinkelter“, der große Kuhstall und ein Bienenhaus genannt. 10 Jahre später erteilten Max und seine Frau Dorothea dem herzoglich nassauischen Kämmerer Moritz von Gagern, ihrem Bruder und Schwager, die Vollmacht, sämtlichen Besitz in Hornau zu verkaufen.

MdJ 2023 Adolph von Nassau

Herzog Adolph von Nassau erwarb das gesamte Gut und behielt es – trotz der völligen Auflösung seines Staates als Folge des Preußisch-Österreichischen Krieges wenige Monate später. Im Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden wird in einem Dokument vermerkt, dass „zwischen Seiner Majestät dem König [von Preußen] und Seiner Hoheit dem Herzog Adolph zu Nassau […] dem Letzteren das Domanial-Hofgut zu Hornau zu Eigenthum überlassen“ wird. Aus dem Herzog von Nassau war nun durch Berliner Gnaden ein mehr oder weniger landloser Herzog zu Nassau geworden.

Adolph überließ das Hofgut seinem Oberstallmeister Freiherr von Breidbach-Bürresheim, einem Verwandten der Familie von Gagern, als Sommeraufenthalt. Zudem wurden Teile der Wiesen und Äcker an Bauern aus der Umgebung verpachtet. Als Adolph 1890 Großherzog von Luxemburg geworden war, kündigte einige Jahre später auch der „Oberstallmeister von Breidbach“ sein Pachtverhältnis. Mit ihm verließ die „Baroness von Breidbach“ das Hofgut. Damit verschwand der seit Jahrhunderten in Hornau ansässige Adel. Dass die Hornauer den Herzog sowie den Adel in guter Erinnerung behielten, unterstrichen sie durch die Pflanzung einer „Adolphseiche“ 1906.

MdJ 2023 Kurhaus Hornau

1897 wurde das Herrenhaus des Hofguts an Margarethe Anthes verpachtet. Sie eröffnete eine Kurpension in den herrschaftlichen Gebäuden. Im Haupt- und den Nebenhäusern standen den Gästen insgesamt 30 Zimmer, ein Musik-, ein Lese- sowie ein Badezimmer zur Verfügung. Im Jahr 1907 musste das Herrenhaus wegen Schwammbefalls allerdings abgerissen werden.

MdJ 2023 Marie Adelheid um 1910 Quelle WikiCommon

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg überließ „Ihre Königlichen Hoheit“, die 19jährige Großherzogin Marie Adelheid von Luxemburg, dem Kölner Unternehmen „Nathan Frères“ das Hofgut für die Summe von 150.000 Mark zum Verkauf. Es wurde 1913 aufgeteilt und von „Nathan Frères“ an verschiedene Bieter versteigert. Das aufstrebende holzverarbeitende Unternehmen Dichmann sicherte sich einen Teil, ebenso die Gemeinde Hornau und ihre Bürger sowie der katholische Kirchenbauverein. Im Jahr 1914 war das ehemals adlige Hofgut Hornau nach Jahrhunderten endgültig verschwunden.

MdJ 2023 Gagernhaus und Gagerngräber

Erhalten geblieben ist das klassizistische Gebäude des Hofhauses mit Vorplatz, ebenso die historischen Grabmale auf dem Hornauer Friedhof.

 

SALONSOFA AUS DEM GAGERN-HOFGUT

MdJ 2023Katharina Fogel Großmutter von Karin Kofler3

Wohl um 1910 hat die in Hornau geborene Anna Katharina Kraus, verheiratete Fogel, das „Gagernsofa“ bei einer Auktion des Hofgut-Inventars ersteigert.

MdJ 2023 Franziska und Jean Pierre Fogel und Karl

Von Anna Katharina Fogel ging es über in den Besitz ihrer Tochter Maria Franziska Dörr, geborene Fogel, hier abgebildet mit ihrem Vater Jean Pierre Fogel und ihrem Sohn Karl. Jean Pierre Fogel, geboren in Lothringen, war weit in der Welt herumgekommen, bevor er beim Bau der Königsteiner Kleinbahn seine spätere Frau Anna Katharina Kraus in Hornau kennenlernte: 1890 verdiente er sich als Kohleschipper auf einem Frachter die Überfahrt nach New York. Dort arbeitete er als John Peter Fogel im Hotel Waldorf-Astoria. Nach einer Typhuserkrankung ging er nach Europa zurück. In Deutschland hieß er Johann Peter Fogel. Mit seiner jungen Familie zog er für eine kurze Zeit zurück in seinen lothringischen Heimatort Haspelschiedt. Seiner Frau fehlte dort der in Hornau schon übliche Komfort: fließendes Wasser und elektrischer Strom. So zog man zurück nach Hornau.

MdJ 2023 Haus Familie FogelJPG

Im Wohnhaus der Familie in der Hornauer Straße 108 stand dann für lange Zeit auch das ersteigerte Salonsofa. Die Verbindung nach Frankreich wurde in der Familie aufrechterhalten.

MdJ 2023 Maria Franziska Fogel

Die Tochter Maria Franziska ging mit 16 Jahren als Gouvernante nach Metz. Ihre Kinder Katharina und Karl erzog sie in französischer Sprache – eine Parallele zur Familie von Gagern, in der ebenfalls viel Wert auf gute Französischkenntnisse gelegt worden war.

MdJ 2023 Katharina Kofler

Das Sofa aus deren Hornauer Hofgut stand dann im Kinderzimmer der Leihgeberin Katharina Dörr, Tochter von Maria Franziska Dörr und Enkelin von Anna Katharina Fogel. Die Großmutter erklärte ihr wiederholt, das Sofa sei etwas ganz Besonderes und viel wert.

Nach der Hochzeit von Katharina Dörr mit Heinz Kofler baute das Ehepaar ein eigenes Haus im Flachsland in Hornau. Das Sofa wurde in Kelkheim aufgearbeitet und mit einem Stoff bezogen, der zu den vorhandenen Stühlen passte. Es bekam einen Ehrenplatz im Wohnzimmer der Familie.

 

BÜRGERLICHES MOBILIAR IM HÖFISCHEN WOHNSTIL

Ein modischer Trend des 19. Jahrhunderts

MdJ 2023 Sofa Stühle1

MdJ 2023 Sofa Stühle2

Schwungvolle Rückenlehnen, Voluten, Rosetten und Rocaillen – das sind die Kennzeichen von Möbeln im Louis-Philippe-Stil. Dieser verdankt seinen Namen dem französischen Bürgerkönig Louis-Philippe, in dessen Regierungszeit (1830-1848) Elemente aus der Zeit des Rokoko wieder aufleben. Von 1850 bis 1870 stellt das Louis-Philippe den in Europa am weitesten verbreiteten Wohnstil dar. Am Hof des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. in Potsdam erfreut sich das elegante, leichte Mobiliar besonderer Beliebtheit, der neue Stil hält aber auch schnell Einzug in die bürgerlichen Salons. Schlichte Möbel aus Edelholz geben dem geräumigen Empfangsraum in den Wohnungen ein höfisches Ambiente für gesellschaftliche Empfänge, literarische und politische Begegnungen eines selbstbewussten Bürgertums. Eine Salongarnitur mit einem Sofa und sechs Polsterstühlen findet in weiten Kreisen des Bürgertums Anklang. Vergoldungen entfallen, dafür erfährt das polierte Edelholz wie Mahagoni und Nussbaum Beachtung. Die Einrichtung korrespondiert mit der dezent-eleganten Kleidung der Damen und Herren. Europaweit wird der schwarze Anzug prägend für die Männermode.

Die Verbürgerlichung des höfischen Einrichtungsstils ist nicht nur eine Geschmacksfrage, sondern hängt auch eng zusammen mit Veränderungen im Schreinergewerbe. Um 1850 verbessern sich dessen Rahmenbedingungen: Handwerker produzieren zunehmend Möbel nach Vorlagen im Voraus auf Lager, die durch dampfgetriebene Maschinen schnell und günstiger angefertigt werden können. So kann das Bürgertum erstmals in der Geschichte Möbel kaufen, die „man in den Sälen der höchsten Stände bewundert, und die noch im Preise dem Mittelstand zugänglich sind“ (Marianne Zweig: Zweites Rokoko. Innenräume und Hausrat in Wien 1830-1860. Wien 1924).

Zur Verbreitung historischer Stile tragen zudem vielbesuchte Kunstgewerbe- und Industrieausstellungen bei, die das ganze Spektrum der technischen, künstlerischen und stilistischen Innovationen präsentieren.

MdJ 2023 Luis Philippe Salon

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04 Mai 2024
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Vatertagswerkeln - Museumsspaß am Samstag
11 Mai 2024
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Muttertagswerkeln - Museumsspaß am Samstag
12 Mai 2024
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Wanderung am Muttertag zum Staufen