Zurückliegende Veranstaltungen
Führung durch die Sonderausstellung
am Sonntag, 21. Mai, 2023, 15:00 Uhr
in der Alten Kirche Hornau, Rotlintallee
mit Stadtarchivar Julian Wirth
175 Jahre Nationalversammlung! In Kelkheim werden die Erinnerungen und die Errungenschaften des ersten Deutschen Parlaments hochgehalten. Heinrich von Gagern, erster Deutscher Parlamentspräsident, besuchte seinen Vater Hans Christoph häufig auf dessen Hofgut in Hornau. Dort diskutierten sie. Dort stritten sie. Dort tauschten sie Ideen aus.
Die Revolution von 1848 ist auch ein Stück Kelkheimer und Hornauer Geschichte. Die Sonderausstellung „DEMOKRATIE WEITER DENKEN: Die Freiherren von Gagern - Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie“ der Stadt Kelkheim erinnert daran.
Julian Wirth, Stadtarchivar und Historiker, führte die zahlreichen Besucher durch die Ausstellung. Sie erzähle Demokratiegeschichte als Familiengeschichte, führte er aus. Ereignisse seien ohne die Personen nicht zu denken, seien in unserem Fall ohne die Freiherren von Gagern nicht zu denken.
Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Es gäbe kein „Ende der Geschichte“. Vergegenwärtigen wir uns das aktuelle Weltgeschehen, werden die Gefahren für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung deutlich: China und Russland werden zunehmend autoritärer, in den Vereinigten Staaten stürmte ein Mob das Kapitol, die Regierungen vieler osteuropäischer Länder und auch jüngst Israels rütteln an der Unabhängigkeit ihrer Gerichte. Wirth betonte, dass es dementsprechend umso wichtiger sei, sich der eigenen Werte und Normen zu vergewissern.
Alles begann im Jahr 1789, erklärte Wirth. Damals stellte ein französischer Revolutionär eine ebenso einfache wie bahnbrechenden Frage: „Was ist der Dritte Stand?“ Die revolutionäre Antwort: „Alles.“ Die Privilegien von Klerus und Adel mussten abgeschafft werden. Jeder sollte jedem in Allem gleich sein.
Hans Christoph von Gagern hat diese Zeit nicht nur miterlebt, er hat sie auch mitgestaltet. Insbesondere während der Herrschaft Napoleons. Er hatte einen entscheidenden Anteil an der Gründung Nassaus sowie der Niederlande. Er wohnte der Selbstkrönung des Französischen Kaiser bei. Seine Söhne wiederum erkämpften die endgültige Niederlage des Korsen bei Waterloo 1815. Aufstieg und Fall Napoleons - die Gagern waren dabei, so Historiker Wirth.
Karte des Deutschen Bundes - Wikimedia Commons
Nach Napoleon schufen die Diplomaten der Fürsten den Deutschen Bund. Ein Gebilde aus fast 40 Staaten und Stadtstaaten, von denen zwei den Rest dominierten: Österreich und Preußen. Hans Christoph hatte daran mitgewirkt, doch seinen Söhnen Heinrich, Friedrich und Max war er verhasst. Wirth erläuterte, dass sie ein Reich, ein Deutschland wollten.
Im Jahr 1848 tat sich die Chance für ein geeintes Deutschland unter einer Fahne auf. Eine Revolution entzündete sich in Paris - wo sonst? - und griff auf die Staaten des Deutschen Bundes über. An allen Orten ertönte der Ruf nach Veränderung, nach Reform, nach Revolution! Wirth legte die damalige Begeisterung anhand einer Schulchronik aus Ruppertshain dar. Auch hier war man elektrisiert von den Ereignissen. Die Stunde der drei „politischen Brüder“ hatte geschlagen.
Heinrich und Max zogen in das erste Deutsche Parlament ein.
Friedrich zog für die Bundestruppen zu Felde und fiel im Kampf gegen die Aufständischen um Friedrich Hecker.
Am Ende scheiterte die Revolution an der verbliebenen Macht der Fürsten, an ihrem Unwillen etwas verändern zu wollen, an ihrem Militär, so Wirth. Doch der Historiker betonte auch was blieb: die Idee der Freiheit und der Einheit, des Rechts- und Verfassungsstaates. Sie bilden das Fundament der heutigen Bundesrepublik. Wirth schloss seine Führung damit, dass die Freiherren von Gagern Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie waren.
Der Hinweis auf das wunderbare Portrait der Freiherrn von Gagern in dem Buch von Torsten Weigelt über die "Pioniere der Deutschen Demokratie" durfte nicht fehlen.
Der herzliche Dank des Verfassers dieses Artikels gilt den überaus interessierten Besuchern seiner Führung. Viele Fragen wurden gestellt, viele Anregungen und Denkimpulse gegeben. Zudem möchte der Verfasser sich ausdrücklich bei Jürgen Moog vom Museumsverein sowie den Bürgern für Hornau bedanken.
Text: Julian Wirth
Fotos: Jürgen Moog
Sonntag, 21. Mai 2023 15:00 Uhr