Stadtteilgeschichte in Glasvitrinen
Von armen Bauerndörfern zur selbstbewussten Möbelstadt
Mit den Zeitstufen des 19. Jahrhunderts erreichen wir die Museumsetage. Der Blick geht auf die Vitrinen der Abteilung Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Dörfer Kelkheim, Münster, Hornau, Fischbach Ruppertshain und Eppenhain.
Es sind sechs Vitrinen, eine für jeden der sechs Stadtteile, die früher eigenständige Dörfer waren.
Die Armut der Landbevölkerung im 19. Jahrhundert bildet die inhaltliche Ausgangssituation. In den verschiedenen Ausstellungseinheiten wird die Überwindung der Not durch die Entwicklung des Möbelschreinerhandwerks seit Ende des 19. Jahrhunderts aufgezeigt.
Im 19. Jahrhundert war die bäuerliche Bevölkerung verarmt. Ein Grund für die Verarmung der bäuerlichen Bevölkerung war die Realteilung, bei der das Land zu gleichen Teilen unter den Erben aufgeteilt wurde. Sie führte schon nach wenigen Generationen zu sehr geringem Landbesitz. In Folge dessen mussten Nebenerwerbsmöglichkeiten gefunden werden, um die Familie ernähren zu können. Die Vitrinen zeigen uns exemplarisch jeweils zwei typische Nebenerwerbe des jeweiligen Dorfes.
Vitrine Kelkheim
Vorderseite der Vitrine (links): Wir erfahren, dass es für einige Jahre in Kelkheim auch Bergbau gab. In über 20 Gruben wurde Brauneisenstein zur Gewinnung von Eisen abgebaut. Dadurch gab es wohnortnahe Arbeitsplätze.
Rückseite der Vitrine (rechts): In Kelkheim finden wir im 19. Jahrhundert Leinenwebereien. Straßennamen wie „Am Flachsland“ erinnern daran. Die ausgestellten Gegenstände sind nummeriert. Eine Tafel erklärt die Nummern, eine weitere erläutert, wie viel Leinen im Durchschnitt gewebt wurde, wie viel man damit verdiente und was man dafür kaufen konnte.
Vitrine Münster
Münster hatte Ton- und Lehmgruben.
Vorderseite der Vitrine (links): Ziegeleien stellten Ziegelsteine und Dachziegel her. Moderne Rundöfen ermöglichten es, durchgehend zu produzieren. Abnehmer waren u. a. Industriebetriebe in Frankfurt und Höchst.
Rückseite der Vitrine (rechts): Auch Töpfereien nutzten den Ton. Die sogenannten „Heppener“ stellten die „Dippe“ her. Abnehmer fand man durch Haustürverkauf und auf Märkten, wie zum Beispiel auf der Dippemess in Frankfurt, dem Hochheimer Markt oder dem Alteburger Markt.
Vitrine Hornau
Vorderseite der Vitrine (links): Das Hofgut in Hornau gelangte 1818 in den Besitz der Familie von Gagern. Freiherr Hans Christoph von Gagern (1766 – 1852) korrespondierte mit Intellektuellen der Zeit, verfasste Bücher, ließ einen Park anlegen und beschäftigte sich mit Obstbaum- und Rosenzucht. Berühmt waren auch die „politischen Söhne“ Friedrich, Heinrich (1848 Präsident der Nationalversammlung in der Paulskirche) und Maximilian.
Das Hofgut beschäftigte viele Hornauer als Knechte, Mägde und Tagelöhner. Es gab einen Gärtner und einen Förster.
Rückseite der Vitrine (rechts): Ungefähr 80 % der Männer arbeiteten als Maurer, z.B. bei den Farbwerken Höchst, am Hauptbahnhof und auf der Kaiserstraße in Frankfurt, sowie als Fabrikarbeiter ebenfalls in Höchst und Frankfurt.
Vitrine Fischbach
Vorderseite der Vitrine (links): Bei guten Bodenverhältnissen und günstigem Vordertaunusklima gediehen „Baumäcker“: Zwischen Obstbäumen wurden Getreide, Kartoffeln, Gemüse und Beerensträuchern angebaut. Das Obst wurde genutzt für den Eigenbedarf und den Verkauf. Es wurde konserviert: gekeltert, gedörrt, eingekocht (z. B. Pflaumenmus = Latwerge).
Mit dem Aufkommen von Touristen und Wanderclubs lohnten sich Gastwirtschaften, in denen der eigene Apfelwein ausgeschenkt wurde.
Rückseite der Vitrine (rechts): Viele Fischbacher arbeiteten als Zimmerer. Die Werkzeuge sind deutlich größer als die der Schreiner.
Vitrine Ruppertshain
Vorderseite der Vitrine (links): Im 19. Jahrhundert breitete sich die Lungenkrankheit Tuberkulose aus. Mit der Eröffnung der ersten Volks-Lungenheilanstalt in Deutschland konnten erstmals Tuberkulosekranke aus einfachen Verhältnissen angemessen therapiert werden. Ruppertshain wurde wegen seiner guten Taunus-Höhenluft und wegen des sonnigen Südhangs ausgewählt. Heimische Handwerker fanden in der Bauphase Arbeit, weitere Dorfbewohner im Betrieb bei der Haustechnik, der Landwirtschaft, im Gemüsegarten, bei der Krankenpflege, in der Küche und der Wäscherei.
Heute wird der „Zauberberg“ vielfältig genutzt: Es gibt kulturelle und gastronomische Angebote, Praxen, Büros und Wohnungen.
Rückseite der Vitrine (rechts): Der Boden war sehr karg. Die Bewohner waren auf die Nutzung des Waldes angewiesen. In Kohlenmeilern wurde Holzkohle hergestellt. Frauen und Kinder sammelten Reisig und stellten Besen her. Sie waren von so guter Qualität waren, dass Ruppertshain die Besenschweiz genannt wurde.
Vitrine Eppenhain
Vorderseite der Vitrine (links): Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts machten Gaststätten, Hotels (z. B. das „Kurhaus Montesita“) und das Prädikat „Luftkurort“ Eppenhain für Wanderer und Touristen attraktiv. Vermögende Familien aus Frankfurt und Wiesbaden errichteten Sommervillen in Eppenhain. Das brachte Arbeitsplätze und Einkünfte durch Grundstücksverkauf.
Rückseite der Vitrine (rechts): Eppenhain war eines der kleinsten und ärmsten Dörfer des Taunuskamms. Lebensgrundlage war vielfach Schafzucht.