Zurückliegende Veranstaltungen
Vermittler während der „Märzunruhen”
Tagung in Kelkheim befasst sich mit der Familie von Gagern und Nassau
Max von Gagern war ein hartnäckiger Verhandler. 80.000 Gulden und keinen Kreuzer weniger wollte er für das Hofgut in Hornau haben. Und er setzte seinen Willen durch. Per Kaufvertrag ging das Anwesen am 2. März 1866 zu den von Gagern gewünschten Konditionen an den herzoglichen Domänenfiskus über. Sprich: an Herzog Adolph von Nassau. Damit endete die Ära der Familie von Gagern in Hornau, an die in diesem Jahr bereits in zahlreichen Veranstaltungen erinnert worden ist.
Dem schloss sich nun der Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung mit Sitz in Wiesbaden an, der seine ortsgeschichtliche Tagung in diesem Jahr nach Kelkheim verlegt hatte, um das politische Engagement der Familie von Gagern für Deutschland und das Herzogtum Nassau zu würdigen. Wobei es auch eine direkte Verbindung zwischen Familie und Verein gibt: Hans Christoph von Gagern gehörte 1812 zu den Mitbegründern des heute ältesten noch bestehenden Geschichtsvereins in Deutschland.
Der Vorsitzende Dr. Rolf Faber bedankte sich für die Möglichkeit, den Plenarsaal des Rathauses für die Tagung zu nutzen; Bürgermeister Albrecht Kündiger wiederum freute sich, dass das Erbe der einst in Hornau lebenden Familie auch über die Stadtgrenzen hinaus auf so große Resonanz stößt. Und knapp 50 Besucherinnen und Besucher ließen sich von Professor Andreas Fahrmeir, Stadtarchivar Julian Wirth und dem Kelkheimer Autor Torsten Weigelt über das historische Geschehen rund um die Revolution von 1848 informieren.
Doch zunächst wurden die Tagungsteilnehmer/-innen mit dem anlässlich des 175. Jubiläums des Paulskirchenparlaments gedrehten Films über die Freiherren von Gagern und ihre Bedeutung für die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie eingestimmt.
Julian Wirth beleuchtete in seinem Vortrag die Geschichte des Hornauer Hofgutes, das sich von 1818 bis 1866 im Eigentum der Familie von Gagern befand. Dabei ging er auch auf einige skurrile Details ein.
So pachtete eine „Witwe Anthes” um die Wende zum 20. Jahrhundert die herrschaftlichen Gebäude und vermarktete sie großspurig als „Schloss Hornau” und Kurpension, bis ihr das die Behörden untersagten.
Andreas Fahrmeir, Professor an der Frankfurter Goethe-Universität, skizzierte die soziale und wirtschaftliche Situation des Herzogtums Nassau, zu dem auch Kelkheim und seine heutigen Stadtteile gehörten, in der vorrevolutionären Zeit, insbesondere den „hungry 40”. Diese Zeit war geprägt von einem starken Bevölkerungswachstum, fehlenden Arbeitsplätzen, aber auch großen regionalen Unterschieden. So profitierte die spätere „Weltkurstadt” Wiesbaden schon von den Anfängen des Tourismus, während im Westerwald große Armut herrschte, die in den „hungrigen” 1840er Jahren durch eine in ganz Europa grassierende Kartoffelkrankheit noch verschärft wurde.
Torsten Weigelt, stellvertretender Vorsitzender des Kelkheimer Museumsvereins und Autor eines Gagern-Buches, berichtete in seinem Vortrag von der engen Beziehung der Familie zu Nassau.
Diese begann mit Hans Christoph von Gagern, der als Diplomat in Paris maßgeblich an der Entstehung des Herzogtums beteiligt war. Gagerns Unterschrift befindet sich unter der Rheinbundakte, deren Inkrafttreten 1806 gleichzeitig der Gründungsakt für das Herzogtum Nassau war. Im zweiten Teil seines Vortrags ging Weigelt dann auf den jüngsten Sohn Hans Christoph von Gagerns, Maximilian, ein. Dieser trat 1840 in den Nassauer Staatsdienst ein und spielte dann im März 1848 eine wichtige Rolle während der sogennannten „Märzunruhen”. Max, der später ebenso wie sein Bruder Heinrich als Abgeordneter in das Frankfurter Paulskirchenparlament einzog, fungierte in dieser turbulenten Phase erfolgreich als Vermittler zwischen Regierung und Opposition, auch rund um den 4. März, als es in Wiesbaden zu einer spektakulären Volksversammlung mit 30000 bis 40000 Teilnehmern kam.
Zum Ausklang der Tagung verschafften sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch im Rahmen einer von Julian Wirth und Torsten Weigelt geleiteten Führung über den Gagernrundweg durch Hornau einen Eindruck von dem ehemaligen Hofgut und den Gagerngräbern.
Text: Torsten Weigelt
Fotos: Jürgen Moog
Samstag, 30. September 2023 08:30 Uhr