Zurückliegende Veranstaltungen
Vom Strohsack zum Rundbett
Eine kleine Zeitreise durch die Geschichte der menschlichen Schlafstätten
Rüdiger Kraatz stellte in seinem Bildvortrag die unterschiedlichen Arten von Schlafstätten und Schlafgewohnheiten in der Geschichte und in unterschiedlichen Kulturräumen vor.
Es gibt archäologische Nachweise, dass Menschen schon vor 200 000 Jahren in Afrika auf Grasbetten die Nächte verbrachten. In dem Graswerk befanden sich auch insektenvertreibende Pflanzen und Asche. Möglicherweise ergab dies eine Mischung, die die Schläfer schützte.
Ausgeprägte Bettgestelle mit Verzierungen und kunstvoll gestalteten ornamentalen Elementen gab es in den meisten Hochkulturen, etwa bei den antiken Ägyptern oder den Griechen und Römern.
Wahrscheinlich wurden die Möbel sowohl als Bettgestelle, als auch als Abstellfläche benutzt. Sie konnten mit Matten oder Polstern belegt und mit Insektennetzen umspannt werden. Als Materialien boten sich für die Gestelle Stein, Holz oder Metall an. Interessant sind die oft aus Holz, Keramik oder Stein gebauten Holzstützen für den Kopf, die wir auch aus dem asiatischen Kulturkreis kennen.
Bettlager verschiedener Ausarbeitung gab es bei den Steinzeitvölkern bis hin zu den Kelten, von denen die berühmte Kline aus der Keltensiedlung Hochdorf im Gedächtnis bleibt. Wir müssen in jedem Fall, von Kultur zu Kultur und von Epoche zu Epoche, mit unterschiedlichen Schlafgewohnheiten rechnen.
Die Betten der reichen Römer waren bereits mit erstaunlichem Luxus verschönert, sie dienten auch Festgelagen aller Art, aber auch in bereits abgetrennten Schlafräumen als reine Schlafstätten. Es wird vermutet, dass einfache Römer weiterhin auf primitiven Lagern aus Laub- oder Strohsäcken auf dem Boden ruhen mussten.
Verglichen mit der Zeit der Völkerwanderung und der Frühen Neuzeit war das Mittelalter eine warme Epoche. Dennoch musste man sich überall gegen Kälte, Ungeziefer und Zugluft schützen. Auf Burgen, ausgehend von den Kemenaten, baute man hochstehende Bettgestelle mit Baldachinen (Himmelbetten) und Vorhängen.
Die 2. Vorsitzende des Museumsvereins, Andrea Hillebrecht-Schulte, unterstützte Herrn Kraatz indem sie Texte zu der Bettgeschichte vorlas.
Nachts wurden die Vorhänge zugezogen und es entstanden die Alkoven. Teppiche wurden ausgelegt und Wandbehänge sollten die Zugluft dämmen. Tücher und Pelze dienten der Bedeckung, etwas später mit Federn, Wolle oder Haaren ausgestopfte Bettbezüge. Für ärmere Leute mussten weiterhin jedwede Arten von Strohsäcken dienen. Überliefert ist, dass man sich meist nackt ins Bett legte, umhüllt vom besagtenTuchwerk.
Ab dem 13. Jahrhundert, auch in reichen Bürgerhäusern, entwickelten sich größere und verzierte Bettgestelle, mit Unterbetten, Kissen und Steppdecken (Kulter). Diese Räume wurden tagsüber als Besuchszimmer genutzt. Ein eigenes Bett hatten nur feine Leute, das Gefolge musste mit mehreren Personen auf Lagern zusammenrücken.
An Fürstenhäusern stellten sich die Adligen und Könige repräsentativ vor oder in ihrem Bett aus und erteilten Audienzen. Immer mehr Prunkmöbel wurden mit Samt, Seide, Brokat, Damast und reichhaltigen Stickereien ausgestattet. Als Höhepunkt galt das Hofzeremoniell des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. in Versailles.
In der Ära der Industrialisierung vereinfachten sich die Bett- und Schlafstile und besonders die Arbeiterschaft musste die Nächte eng gedrängt und unter zum Teil erbärmlichen sanitären Verhältnissen zubringen.
Die Betten wurden durch mehrere Personen rund um die Uhr genutzt. Ein Zuspätkommen ging zulasten der eigenen Schlafzeit.
Besser als der Arbeiterschaft ging es zumindest regional den reicheren Bauern. In der „Guten Stube“ versammelten sich die Familienmitglieder und oft auch das Gesinde. Dort erwärmte ein großer Ofen den Raum, es gab Bänke und Liegestellen, etwa Kastenbetten, wo man gedrängt nächtigen konnte. Die Familie der Großbauern hatte meist eine eigene Bettstube. Im Wohnhaus befanden sich häufig auch eine oder mehrere Werkstätten (z.B. Webstühle), die man nachts zur Seite rücken oder an die Decke ziehen konnte.
Moderne Möbel, prototypisch dafür stehen die Bauhaus-Tradition und die Epochenbegriffe „Neue Sachlichkeit“, wurden zunehmend funktional und schlicht konstruiert. Auf dieser Basis hielt die Massenfabrikation Einzug in die industrielle Gesellschaft. Die Notwendigkeiten des Alltags- und Berufslebens und die Lebensverhältnisse machten eine Vielzahl verschiedener Betttypen notwendig, z.B. Etagenbetten, Klappbetten, Schrankbetten, Campingliegen, Hochbetten, Pflegebetten oder Wasserbetten. So wundert es kaum, dass kreative Bettenbauer auf die Idee kamen, auch die zunächst exotisch wirkenden Rundbetten anzubieten.
Den Höhepunkt der Zeitreise bildete das diesjährige „Möbel des Jahres“ – das Rundbett des Möbelhauses Stelzer.
Dirk Stelzer erzählte, wie die Idee von einem Rundbett geboren und verwirklicht wurde. Nicht nur mussten neue Fertigungsweisen und Geschäftsbeziehungen entwickelt werden, man benötigte auch viel Mut, das Risiko auf sich zu nehmen. Immerhin entwickelte sich dieses ungewöhnliche Möbel zu einem Erfolg, ca. 1000 Rundbetten wurden in Deutschland verkauft.
Im Museum Kelkheim fanden sich noch die wichtigsten Bestandteile eines alten Rundbettes. Die Firma Stelzer hatte noch alle Zeichnungen in ihrem Archiv und konnte das Rundbett vom Museumsspeicher restaurieren.
Bis Ende dieses Jahres wird dieses attraktive Objekt noch als „Möbel des Jahres“ im Museum zu besichtigen sein, dann wandert es wahrscheinlich für eine gewisse Zeit in einen Ausstellungsraum des Möbelhauses Stelzer. Danach, so wünschen sich die Vorsitzenden des Museumsvereins, sollte es als ein Paradestück im neuen Museum einen angemessenen Platz finden.
Text und Folien: Rüdiger Kraatz
Fotos: Jürgen Moog
Sonntag, 20. Juni 2021 16:00 Uhr