Zurückliegende Veranstaltungen
Auf vielfache Nachfrage bot das Museum Kelkheim eine Wiederholung des folgenden Vortrages an:
30 Jahre Krieg
1618 – 1648:
Ereignisse und Spuren in Kelkheim und seiner Umgebung
Gerhard Schmidt (Fischbach)
Moderation: Rüdiger Kraatz
Anlässlich des Gedenkens an den 400 Jahre zurückliegenden Beginn des 30-jährigen Krieges (1618) hielt der Fischbacher Kulturwissenschaftler und angehende Historiker Gerhard Schmidt am 23. November im Museum Kelkheim zum zweiten Mal seinen Vortrag über die Ereignisse und Spuren jener Jahre im heutigen Kelkheimer Stadtgebiet und in seiner Umgebung.
Zur Einleitung gab Rüdiger Kraatz einen kurzen Überblick über die allgemeinen historischen, kulturellen und politischen Entwicklungen, die diesem Krieg vorausgingen und ihn erst möglich machten (kleine Eiszeit, Pestepidemien, Hexenverfolgungen, Reformation und Gegenreformation u.a.m.).
Herr Kraatz nutzte dabei auch die Zeitstufen im Treppenhaus des Museums, die von der Vorgeschichte über den 30jährigen Krieg bis in unsere Zeit führen.
Er arbeitete heraus, dass Kriege immer die Folge bestimmter Spannungsverhältnisse und Krisen sind und von Machtpolitikern angezettelt werden, die sich Vorteile versprechen, Dabei bedienen sie sich politischer Ideologien, um ihre oft aggressive Politik zu rechtfertigen. In solchen Notzeiten beruft man sich gerne auf pessimistische Weltanschauungen, was die menschliche Natur betrifft, so als sei der Mensch seit jeher auf Kampf und Aggression eingestellt (Machiavelli, Hobbes).
Nach dieser Vorbereitung begann Gerhard Schmidt seinen Vortrag mit einer Vorbemerkung zur Problematik der Quellen, auf die der Historiker bei der Erkundung eines solchen Themas angewiesen ist: Augenzeugenberichte sind selten und subjektiv, Bilder oft von propagandistischen Zielen beeinflusst und „Statistiken“ im heutigen Sinne gab es nicht. Alle uns aus der damaligen Zeit vorliegenden Zahlen, z.B. zur Bevölkerungsentwicklung und zur Sterblichkeit, sind nach unterschiedlichen Kriterien erstellt und vor allem mit großer Vorsicht zu betrachten..
Dass es sich damals um einen „Krieg aus Kriegen“ handelte, verdeutlichte er am Beispiel der Eppsteiner Burg, die in den verschiedenen Kriegsphasen insgesamt sechs Mal von unterschiedlichen Akteuren und Koalitionen belagert und erobert wurde – mit oft drastischen Auswirkungen für jene nahegelegenen Dörfer, die heute die Stadt Kelkheim bilden.
Eine Darstellung zur hohen Mobilität der Beteiligten (egal, ob als Soldaten oder Flüchtlinge), welche die Ermittlung kompletter Lebensläufe erschwert, schloss die methodische Einführung ab.
Die eigentliche Darstellung zum Geschehen in unserer Gegend begann G. Schmidt mit der Schlacht bei Höchst im Jahre 1622, wo evangelische Braunschweiger Truppen auf katholische Liga-Truppen trafen.
Erstgenannte hatten sich kurz zuvor vor im heutigen Kelkheimer Stadtteil Münster einquartiert und dort erhebliche Schäden und auch Tote hinterlassen, was sich aufgrund der erhaltenen Kirchenrechnungen detailliert nachzeichnen lässt.
Es folgten Ausführungen zur sog. „Schwedenzeit“: Von 1631 bis 1636 war Mainz von schwedischen Truppen besetzt, mit harten Konsequenzen für die damals zu Kurmainz gehörigen heutigen Kelkheimer Stadtteile. Plünderungen, in deren Folge Hungersnöte sowie Seuchen suchten in dieser Zeit unsere Gegend heim.
G. Schmidt betrachtete im Folgenden drei kriegstypische Lebensläufe bzw. Lebensabschnitte von damaligen Einwohnern unserer Gegend. Er begann mit Christoph Blum aus Massenheim, einem ev. Pfarrerssohn, der als „Kriegsunternehmer“ und Kompaniechef mit seiner Truppe in wechselnden Diensten kämpfte und durch Taufsteinstiftungen in unserem Landkreis (Massenheim und Eddersheim) im öffentlichen Gedächtnis blieb.
Es folgte die - unter den anfangs genannten Einschränkungen der damaligen Statistik zu betrachtende - Darstellung des „Großen Sterbens“, des durch den 30-jährigen Krieg und seine Folgen – Hunger und Pest – verursachten massiven Bevölkerungsrückganges in den Dörfern, die heute Kelkheim bilden. Manche, wie Münster, wurden immer wieder heimgesucht und verloren drei Viertel, andere wie Fischbach „nur“ ein Drittel der Bevölkerung, Ruppertshain hatte noch einen einzigen Überlebenden.
Zum Schluss des Vortrages hin richtete G. Schmidt den Blick noch auf den Friedensschluss 1648, dem allerdings noch die verheerende Pest von 1666 und einzelne weitere Heimsuchungen durch Kriegszüge im verbleibenden 17. Jahrhundert folgten.
Als „Nachklänge“ beschrieb er zuletzt die bis heute feststellbaren Spuren des beschriebenen Geschehens in Kelkheim und Umgebung. Ein versöhnlicher Blick auf die - nach mündlicher Tradition – 1648 gepflanzte „Friedenslinde“ am Gimbacher Hof beendete den mit vielem Applaus belohnten Vortrag.
Anschließend führte Rüdiger Kraatz seine Überlegungen über Krieg und Frieden weiter. Warum waren (und sind) Politiker oft unfähig, Kriege zu verhindern oder rechtzeitig zu beenden? Warum fallen Friedensschlüsse, die dauerhaften Frieden sichern, so schwer?
Alternativen für eine friedenssichernde, ausgleichende Politik gibt es in der Geschichte viele und ebenso politische Theorien oder menschliches Verhalten, die dem oben angesprochenen pessimistischen Weltbild widersprechen (Ashoka, Immanuel Kant, Nelson Mandela, um nur einige zu nennen).
In einer lebhaften Diskussion standen sich diese beiden Ansichten kontrovers gegenüber. Unterschiedlicher Meinung waren die Diskutanten u.a. über die Natur des Menschen, insbesondere, was die Friedensfähigkeit betrifft. In unserer Zeit der weltweiten und nationalen Konflikte fällt es vielen Betrachtern schwer, an eine Friedfertigkeit der Menschen zu glauben. Die meisten Massenmedien tun ihr Übriges, ein eher negatives Bild zu vermitteln. Rüdiger Kraatz argumentierte gegen ein pessimistisches Menschenbild und wies auf die Gefahren hin, die von modernen Machtpolitikern wie Donald Trump ausgehen. Wer den aktuell öffentlichkeitswirksam vertretenen nationalen Egoismen das Wort rede, müsse wissen, dass man damit ggf. unendliches Leid und gewaltige Zerstörungen in Kauf nimmt.
Text: Gerhard Schmidt und Rüdiger Kraatz
Folien: Gerhard Schmidt
Fotos: Jürgen Moog
Freitag, 23. November 2018 19:00 Uhr