Zurückliegende Veranstaltungen
„Erst Hustenburg, dann Zauberberg“
Rundgang zur Geschichte der Lungenheilstätte Ruppertshain
Am Sonntag, den 22. Juni 2025, trotzten rund 60 Interessierte der großen Hitze und versammelten sich auf dem Parkplatz vor dem Restaurant Merlin. Sie nahmen an einem historischen Rundgang durch den „Zauberberg“ teil – unter Leitung von Gästeführerin Marianne Bopp und dem Kelkheimer Stadtarchivar Julian Wirth.
Die Veranstaltung trug den Titel:
Erst Hustenburg, dann Zauberberg
Ruppertshain und seine Lungenheilstätte
Ein Dorf und die Tbc-Bekämpfung – eine medizin-historische Führung
Zur Begrüßung sprach Kelkheims Bürgermeister Albrecht Kündiger. Er dankte insbesondere den beteiligten Stadträten und den Mitveranstaltern – neben der Stadt und dem Museumsverein Kelkheim e.V. diesmal auch dem Historischen Verein Rhein-Main-Taunus.
Foto Florian Diehl
Julian Wirth gab zunächst einen Überblick über die Geschichte des Dorfes Ruppertshain: von der ersten urkundlichen Erwähnung im 13. Jahrhundert über die Wiederbesiedlung nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges bis hin zur Eingemeindung in die Stadt Kelkheim in den 1970er Jahren.
Foto Florian Diehl
Marianne Bopp leitete über zur geografischen Lage des Ortes – geschützt durch die Taunusgipfel Rossert, Atzelberg, Eichkopf und Steinkopf, und nach Süden hin offen zur Sonne. Diese klimatischen Bedingungen waren ideal für die Gründung einer Lungenheilstätte, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand und heute unter Denkmalschutz steht.
Das Motto „Leben – Wohnen – Arbeiten – Freizeit“ prägt die heutige Nutzung des Geländes. Künstlerische Akzente setzt Axel Tänzer mit seinen großformatigen Gesichtern und Fragmenten, in denen Nase und Mund betont sind – ein Hinweis auf die Atemnot, die Tuberkulosekranke zuerst befiel.
Der heutige Name „Zauberberg“ ist eine Referenz an Thomas Manns gleichnamigen Roman, der das Leben in einem Lungensanatorium beschreibt – mit Parallelen zu den damaligen Verhältnissen in Ruppertshain.
Foto Florian Diehl
Vor dem heutigen Männerbau erläuterte Marianne Bopp die Ursprünge der Heilstätte: Um 1880 plante ein Frankfurter Verein den Bau eines Sanatoriums für an Tuberkulose erkrankte, mittellose Arbeiterinnen und Arbeiter. Unterstützt von Kaiserin Friedrich und vor allem durch großzügige Spenden von Hanna Mathilde von Rothschild wurde 1895 das erste Gebäude fertiggestellt. Trotz begrenzter Mittel wurde ein harmonischer Bau geschaffen, der den Patienten eine angenehme Umgebung bieten sollte.
Spätere Erweiterungen wie die Wandelhalle von 1909 mit Röntgengerät oder die Gymnastikhalle – heute Atelier des Künstlers Dimitri Vojnov – zeigen, wie sich das Sanatorium stets den aktuellen medizinischen Anforderungen anpasste.
Vor dem Rothschildsaal ging Julian Wirth auf die Rolle von Hanna Mathilde von Rothschild und weiteren Mäzenen ein.
Am sogenannten Frauenbau, einer Erweiterung um 1900 mit Küche und Speisesälen, berichtete Marianne Bopp unter anderem vom damaligen Speiseplan, der mittags und abends Bier sowie teils mehrere Teelöffel Kornbranntwein vorsah.
Die Bezeichnungen „Männerbau“ und „Frauenbau“ können irreführen: Der erste Bau war ursprünglich für beide Geschlechter gedacht, doch die Trennung war strikt – mit eigenen Liegehallen im Westen für Männer und im Osten für Frauen. Im östlichen Teil entstand später ein Kino für alle Patienten, heute befinden sich dort Privatwohnungen.
Weitere Kunstwerke und Ateliers säumten den Weg der Führung. Im schattigen Bereich zwischen Altbau und Betriebsgebäude von 1910 gab Julian Wirth einen kulturhistorischen Überblick über die Tuberkulose – inklusive berühmter Erkrankter und dem morbiden Charme, der der Krankheit in der Literatur und Kunst lange anhaftete.
Die medizinischen Fortschritte führten schließlich zum Rückgang der Tbc. Einen entscheidenden Beitrag zur Behandlung leistete der Nobelpreisträger Gerhard Domagk, nach dem die Klinik zeitweise benannt war.
Foto Peter Hillebrecht 2010
1982 wurde die Klinik geschlossen. 1988 übernahm ein privater Investor – Dr. Erich Nitzling – das Gelände. Bürgermeister Kündiger erinnerte an die Jahre, in denen hier zahlreiche Aussiedler aus Russland und der DDR untergebracht waren.
Marianne Bopp und Julian Wirth
Sonntag, 22. Juni 2025 15:00 Uhr