Zurückliegende Veranstaltungen
Stadtarchivar Julian Wirth führte
am Sonntag, 28. Januar, 15:00 Uhr durch die
Zugespitzt – Die Kanzler in der Karikatur ist der Titel der neuesten Ausstellung des Kelkheimer Museums sowie Kulturreferats der Stadt. Leihgeberin und Kooperationspartnerin ist die Stiftung Haus der Geschichte in Bonn.
Die Ehre der ersten Führung durch die Ausstellung Zugespitzt – Kanzler in der Karikatur oblag Julian Wirth. Das interessierte Publikum kam zahlreich und wurde von Wirth dazu aufgerufen, sich aktiv einzubringen. Schließlich kennt jede und jeder die Kanzlerin und die Kanzler, weiß Geschichten zu berichten. Die karikierten Regierungschefs sind in gewisser Weise für uns alle ganz individuell erlebte Zeitgeschichte.
Die Führung folgte der Chronologie, begann also mit Konrad Adenauer, dem „Alten aus Rhöndorf“. Er prägte die innere Struktur und außenpolitische Orientierung maßgeblich. Karikaturisten nahmen, laut Wirth, seinen machtbewussten Stil ins Visier. Wiederbewaffnung, Wiedervereinigung, deutsch-französische Aussöhnung und das Verhältnis zu den USA waren zentrale Themen seiner Regierung.
Das Satire-Magazin „Simplicissimus“ beschwerte sich über die „magere Kost“. Nur noch Adenauer! Früher hatte man noch Archetypen wie Krautjunker und Schlotbarone über die man sich lustig machen konnte. Das ist passé. Adenauer dominiert alles.
Adenauer war kein Freund von Ludwig Erhard, wollte ihn nicht als Kanzler. Und doch wurde der „Dicke mit der Zigarre“ Kanzler.
Ein beliebtes Thema bei den Karikaturen. Erhard gilt als “Vater des Wirtschaftswunders”. Als solcher erfreut er sich auch heute noch einer gewissen Popularität. Tatsächlich ist er als Kanzler aber eher glücklos, so Wirth, und muss nach drei Jahren im Amt seinen Hut wieder nehmen. Die Karikaturen thematisieren insbesondere seine Führungsschwäche.
Als wandelnder Vermittlungsausschuss wiederum wurde Kurt Georg Kiesinger häufig dargestellt. Ständig versuchte er die Wogen innerhalb der ersten großen Koalition zu glätten. Wirth erklärte, dass er zum Schluss damit scheiterte. Auch vielleicht wegen seiner ehemaligen Mitgliedschaft in der NSDAP. Gefundenes Fressen für die Karikaturisten, so Wirth.
Willy Brandt, Lieblingspolitiker vieler Deutscher, war der Kanzler der Ostpolitik. Später sollten ihn die Guillaume-Affäre und innerparteiliche Intrigen das Amt kosten.
Eine Zäsur erfolgte und Willy Brandt wurde Kanzler. „Genosse Trend“ erfreute sich bei den Medien und gerade der jüngeren Generation großer Beliebtheit. Die Karikaturen spiegeln das wider, erläutert der Historiker-Archivar. Markenzeichen der Satire sind seine mächtige Stirn, sein Lächeln und die einzelne Locke vorne. Wirth betont, dass in seiner zweiten Amtszeit die Karikaturen schonungslos seine Schwächen entlarven.
Helmut Schmidt erfuhr die maximale Ehrung durch den Spiegel als er wie Otto von Bismarck „gleich“ karikiert wurde: „Der Lotse geht von Bord“.
Der „Macher“ Helmut Schmidt übernimmt daraufhin das Ruder. Krisenbewältigung steht auf der Tagesordnung: Wirtschaftsprobleme, Massenarbeitslosigkeit, Linksterrorismus und Ost-West-Spannungen. Schmidt scheint besonders geeignet, eine starke Führungspersönlichkeit, ein „Lotse” in der Bildsprache der Karikatur, so Wirth.
Wirth: „Vom linkischen Landei zum großen Europäer, das ist Kohl!“
Hier erklärt Wirth Kohls Werden vom Landei zum großen Europäer.
Dieses Bild von Helmut Kohl hatten viele Deutsche und die Karikaturen zeichneten sich u.a. dafür verantwortlich. Mal wird er als „Birne“ dargestellt, dann erscheint er in Nachfolge Wilhelms II. oder gar als „Superman“, er wird zum „Patrioten“.
Vom Kanzler der Wiedervereinigung zum Medienmenschen Gerhard Schröder.
Die Karikaturisten überspitzen Schröders Medienpräsenz und präsentieren ihn als Alleinunterhalter. Sie spotten über seine Selbstinszenierung als Freund feiner Kleidung und teurer Zigarren, so Wirth.
Angela Merkel, karikiert u.a. von Karl Lagerfeld. Das „Mädchen“ sollte zur „Mächtigsten Frau Europas“ aufsteigen.
Angela Merkel avanciert zur „mächtigsten Frau Europas“. Wirth: „Ob im Blümchenkleid oder Hosenanzug - stets machtvoll wird sie in den Karikaturen dargestellt, als „Mutti”, wenn Not am Mann ist.“ In den europäischen Krisen kehrt allerdings auch der Deutsche mit Hakenkreuz und Pickelhaube in die Karikaturen zurück.
Olaf Scholz „beerbte“ 2021 „Mutti Merkel“. Thema der Karikaturen sind die ungleichen Koalitionspartner SPD, FDP und Grüne sowie Waffenlieferung an die Ukraine.
Die Führung fand ihr Ende und Julian Wirth war begeistert: von der Ausstellung und von seinen diskussionsfreudigen Gästen. Der Dank gilt den Besucherinnen und Besuchern der Führung, die eigentlich keine war. Es war eine historisch-politische Runde. Jede und jeder brachte sich gewinnbringend ein. Dafür ein großer Dank! Auch an Karin Kofler für die Aufsicht und Jürgen Moog für die tollen Bilder.
Text: Julian Wirth
Fotos: Jürgen Moog
Sonntag, 28. Januar 2024 15:00 Uhr